Zugang zu audiologischer Versorgung
«Hier geht es um Kinder»
Julien Ricadat-Crosnier streckt seinen Daumen in die Höhe. «Gut gemacht», signalisiert er damit dem kleinen Jungen gegenüber und zeigt ihm den gerade entnommenen Abdruck des Gehörgangs. Der Junge sieht konzentriert zu, nickt, strahlt und zeigt Julien so, dass er verstanden hat.
Im Mai 2018 nimmt der junge Hörakustiker der Sonova Marke Audition Santé erstmalig an einem Freiwilligeneinsatz für ein Hilfsprojekt der Hear the World Foundation teil. Von seiner Heimat Mantes-la-Jolie, einer mittelgrossen Stadt nordwestlich von Paris, reist er in Libanons Hauptstadt Beirut. Mit dem Aufenthalt erfüllt sich für den für Julien ein Lebenstraum: «Die aktive Mitarbeit an humanitären Engagements interessiert mich schon seit ich denken kann.»
Den Wunsch, einmal bei einem Hilfsprojekt der Hear the World Foundation mit dabei zu sein, trägt Julien schon lange in sich. Doch zunächst fehlt ihm noch sein audiologischer Abschluss. Als sich Anfang 2018 eine Chance bietet, mit dabei zu sein, zögert er keine Sekunde. «Ich habe sofort gedacht: Das passt perfekt. Hier geht es um Kinder, und ich habe in den letzten Jahren eine audiologische Zusatzausbildung für Kinder unter sechs Jahren absolviert. Ausserdem sucht die Stiftung jemanden aus Frankreich, weil man im Libanon auch französisch spricht.» Juliens Bewerbung ist erfolgreich. Zusammen mit zwei Engländerinnen und einer Deutschen kommt er nach Beirut, um dort in der Region syrische Flüchtlingskinder und bedürftige libanesische Kinder im Alter von vier bis 15 Jahren zu versorgen. «Ich hatte mich auf die Reise sehr gut vorbereitet und viel recherchiert. Beirut ist eine Stadt im Wiederaufbau. Überall patrouilliert das Militär in den Strassen. Man fühlt sich sicher, ausserhalb der Stadt sieht man sehr viel Armut.»
Julien Ricadat-Crosnier
Gearbeitet wurde in der Gehörlosenschule IRAP (Institut de Rééducation Audio-Phonétique) sowie in einer Filiale von Houri Hearing, der lokalen Phonak Vertretung. Viele der Kinder haben ihr Gehör bei Bombeneinschlägen und Explosionen verloren. Manche sind mit hochgradigem Hörverlust geboren und aufgrund der prekären Lage niemals richtig versorgt worden. «Ich hatte verstörte Kinder erwartet, aber die Kleinen empfangen uns mit einem Lächeln und freuen sich sehr über unseren Besuch. Sie sind neugierig und stellen interessiert Fragen, wer wir sind und woher wir kommen.» Die Freundlichkeit und Offenheit überraschen Julien umso mehr, als er durch die Übersetzerin erfährt, dass einige der Kinder auf der Strasse leben oder ihre beiden Eltern in den Kriegswirren verloren haben.
Der Grossteil seiner kleinen Patienten ist bereits im November 2017 von anderen Sonova Mitarbeitenden, die als freiwillige Stiftungshelfer in den Libanon kamen, mit Hörgeräten versorgt worden. Julien Ricadat-Crosnier und seine mitreisenden Kolleginnen haben nun die Aufgabe, die Geräte zu reinigen und die Einstellung zu überprüfen. «Einige der Hörgeräte mussten wir ganz neu anpassen, da sich das Hörvermögen der Kinder geändert hat. Auch die Reinigung war zum Teil aufwendig.» Sie versorgen rund 30 Kinder. Dazu auch noch neue Kinder, die Julien erstmalig mit Hörgeräten der Sonova Marke Phonak ausstattet. «Bei Kindern mit 80-prozentigem Hörverlust konnten wir exzellente Resultate feststellen. Sie sprechen korrekt und können untereinander kommunizieren. Wir waren wirklich sehr positiv überrascht.»
Auch der Besuch der libanesischen Gehörlosenschule ist für den jungen Hörakustiker sehr beeindruckend: «Natürlich sind dort alle Ausstattungen veraltet, die Technik ist nicht auf dem neuesten Stand, aber es herrscht eine echte Lebensfreude.» Die Sonova Freiwilligen passen sich den Gegebenheiten vor Ort an, sie arbeiten in lauter Umgebung und mit einfachen Mitteln. Julien unterstützt die dort tätigen Kollegen mit seinem fachlichen Know-How, tauscht sich mit der Belegschaft über neue Behandlungsmethoden aus.
Dann kommt der Tag der Abreise. Der Abschied fällt Julien nicht leicht: «Ich habe die Kinder hier sehr lieb gewonnen. Wie überall auf der Welt wollen sie vor allem spielen.» Insbesondere zwei kleine Mädchen im Alter von sieben und acht Jahren haben es Julien angetan. Sie leben in der Gehörlosenschule, weil ihre Eltern zu arm sind, um sie zuhause zu versorgen. «Sie zeigten mir die ganze Schule: ihr Klassenzimmer und wo sie schlafen. Als wir auf den Minibus warteten, der uns zum Flughafen bringen sollte, haben wir eine Stunde mit ihnen gespielt, gesungen und vor allem viel gelacht.»
Zurück in Mantes-la-Jolie hat der Alltag Julien Ricadat-Crosnier wieder, doch die Reise in den Libanon verbindet die Teilnehmer noch immer. Mit seinen Sonova-Kollegen ist Julien weiter im engen Kontakt. «Wir schreiben uns und tauschen Bilder von unserem Aufenthalt aus.» Rückblickend fasst Julien seine Erlebnisse zusammen: «Mein Einsatz hat mir sehr viel gegeben. Unsere Hear the World Foundation arbeitet wirklich nachhaltig. Man versucht Projekte langfristig zu fördern. Neben der Versorgung mit Hörgeräten spielt die Nachsorge sowie die Aus- und Weiterbildung von audiologischen Fachkräften vor Ort eine entscheidende Rolle. Mich macht es stolz, einen Arbeitgeber zu haben, der sich sozial engagiert. Ich hoffe sehr, dass ich wieder einmal mit dabei sein kann.»